Dienstag, 30. September 2014

Juristische Fragen rund um die Cannabis-Legalisierung

Seit der Cannabis-Legalisierungswelle in den USA wird auch in Deutschland vermehrt über eine Liberalisierung der Drogenpolitik, insbesondere in Hinblick auf Cannabis, diskutiert. Dieser Artikel soll die rechtlichen Möglichkeiten einer Lockerung oder Beendigung der Cannabis-Prohibition darlegen.

Wie weit reicht die aktuelle Prohibition?

Fast alles was man mit Cannabis machen kann, ist verboten. Strafbar macht sich wer Cannabis anbaut, herstellt, mit ihm Handel treibt, es, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft, besitzt, verabreicht, für es wirbt, die Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder Konsum verschafft oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften zum Konsum auffordert. Strafen bis zu 5 Jahren Gefängnis können für einen Verstoß verhängt werden.

Wer aufmerksam gelesen hat, wird festgestellt haben, dass der Konsum selbst nicht verboten ist. Wer also völlig bekifft vor einen Streifenwagen stolpert, hat nichts zu befürchten solange er kein Cannabis dabei hat. Selbstverständlich sollte man auch davon absehen Angaben zu machen, die über die Informationspflicht des Bürgers gegenüber dem Polizeibeamten hinausgehen. Da der Konsum selbst nicht strafbar ist, aber alles was damit im Zusammenhang steht, kann der Delinquent durch weitere Angaben quasi nur verlieren.

Auch wenn das Kiffen ohne Besitz etwas Fantasie benötigt, kann gemäß dem Grundsatz in dubio pro reo nicht vom Konsum auf den vorangegangenen Besitz geschlossen werden.

Der bloße Konsument macht sich zwar nicht strafbar, allerdings macht sich strafbar, wer anderen einen Raum zum Konsum zur Verfügung stellt, auch wenn man selber weder Cannabis besitzt noch konsumiert.

Die Legalisierung in den USA



  Cannabislegalisierung
  Medizinisches Cannabis und Entkriminalisierung
  Medizinisches Cannabis
  Entkriminalisierter Cannabisbesitz
  Totale Cannabisprohibition
Oftmals wird in der hiesigen Debatte auf die Legalisierung in den USA Bezug genommen. Während die gesundheitspolitischen und steuerlichen Argumente meist unproblematisch auf die Situation in Deutschland übertragen werden können, sieht das mit den rechtlichen anders aus. In den USA besteht bisher die Situation, dass einzelne Staaten Marijuhana teilweise oder ganz legalisiert haben, wohingegen es auf Bundesebene weiterhin verboten ist.
In mehreren deutschen Bundesländern haben sich mittlerweile Initiativen nach amerikanischem Vorbild gegründet, die Teils über Petitionen aber auch über Volksabstimmungen eine Cannabis-Legalisierung in ihrem jeweiligen Bundesland vorantreiben wollen. Doch...

... geht das überhaupt?

Ähnlich wie die Bundesrepublik sind die Vereinigten Staaten föderal aufgebaut. Das heißt sie besteht aus teilsouveränen Staaten im Sinne des Völkerrechts. Diese teilsouveränen Staaten zeichnen sich dadurch aus eine eigene Verfassung zu haben, ein eigenes Parlament, Regierung, Verwaltung, Justiz, Polizei usw. Im Gegensatz zu einem sogenannten Zentralstaat wie beispielsweise Frankreich, kommt den einzelnen Bundesländern nicht nur ein erheblicher Entscheidungsspielraum im Vollzug von Gesetzen zu, sondern Sie können auch eigene Gesetze erlassen.

Gesetzgebungskompetenzen der Länder

Betäubungsmittel fallen nach Art 74 Abs. 1 Nr. 19 GG in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung. Ebenso nach Art 74 Abs. 1 Nr. 1 GG das Strafrecht. Die Strafbarkeit des Umgangs mit Cannabis ist durch den Bund abschließend geregelt. Eine Abweichungskompetenz i.S.d. Art 72 III GG haben die Länder in diesem Bereich nicht. Das heißt, die Länder können schon mal nicht von sich aus das Betäubungsmittelrecht ändern, oder selbstständig die vom BtMG angeordneten Strafen für den Umgang mit BtM verringern oder abschaffen.
Da es sich bei den einschlägigen Btm-Verboten um Strafvorschriften (und nicht nur um Ordnungswidrigkeiten) handelt, gilt für die Polizei und Staatsanwaltschaft das sogenannte Legalitätsprinzip. Das heißt die Polizei und die Staatsanwaltschaft sind verpflichtet zu ermitteln, wenn sie von einem entsprechenden Delikt Kenntnis erlangen. Das Legalitätsprinzip hat seinen Hintergrund in der StPO, die Bundesrecht ist, von dem die Länder nicht abweichen können.
Würde ein Bundesland versuchen gesetzgeberisch in der oben genannten Weise tätig zu werden, kann die Bundesregierung im Wege eines Bund-Länder-Streits vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Bundesland klagen. Das BVerfG hat zwar keine eigenen Vollzugsorgane, aber es kam bisher noch nie vor, dass sich ein Bundesland einem Urteil des BVerfG widersetzte.
Drüber hinaus kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats im Rahmen der Bundesaufsicht gemäß Art. 83, 84, 37 GG in gewissen Umfang auf die Länder und ihre Behörden einwirken, wenn das Land sich nicht den Gesetzen des Bundes gegenüber loyal verhält. Dass Land kann sich gemäß Art. 83 III 2 GG dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht zu wehr setzen, das dann quasi letztinstanzlich darüber zu entscheiden hat.
Es bleiben noch die Vollzugsrichtlinien zum BtMG. Diese sind Ländersache und geben der Strafrechtspflege und der Polizei konkrete Anweisungen wie das BtMG zu vollziehen ist. Beispielsweise werden Begriffe wie "geringe Menge" dort definiert, unter der das Verfahren durch die Staatsanwaltschaft eingestellt werden kann. Allerdings gibt es ein Urteil des BVerfG aus dem Jahr 1994, das die Vorgabe macht, dass aus Gründen des Gleichheitsgrundsatzes, der Rechtssicherheit und der Einheitlichkeit der Rechtsordnung die Länder ähnliche Vollzugsrichtlinen schaffen müssen (so musste Bayern seine geringe Menge erhöhen, Berlin seine Grenzwerte verringern, da diese um das 10-fache divergierten). Die Möglichkeit für die Länder bezüglich der Strafverfolgung von BtM-Delikten ist also nicht nur durch das oben genannte Legalitätsprinzip der StPO beschränkt, sondern auch durch den Gleichheitsgrundsatz bezüglich der Vollzugsrichtlinen.
Der Spielraum der Länder ist also recht bescheiden. 

Im Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch und Nebengesetzen sind die Grenzwerte in einer Tabelle zusammengefasst:
Da die Richtlinien zur Anwendung des § 31 a I BtMG von den Ländern jederzeit geändert werden können, ist es schwierig eine solche Tabelle auf dem aktuellen Stand zu halten. Obwohl diese Tabelle aus der aktuellen Auflage des MüKo ist, bestehen in NRW und Rheinland-Pfalz mittlerweile wieder Grenzwerte von 10 Gramm für Cannabis.


Bundesrecht

Der Bund hat, wie oben angemerkt, die Kompetenz die Rechtslage hinsichtlich Betäubungsmitteln und den entsprechenden Strafvorschriften zu ändern.
Der Besitz, Verkauf, Anbau usw. wird durch das BtMG geregelt. Entsprechende Strafvorschriften sind in §§ 29 ff. BtMG aufgeführt. Für eine Änderung der Strafvorschriften oder zur Schaffung von Rechtsgrundlagen für Ausnahmegenehmigungen ist ein Parlamentsgesetz notwendig.

Änderung der Rechtslage durch die Bundesregierung

Substanzen die dem BtMG unterliegen sind in den drei Anlagen zum BtMG aufgeführt. Diese werden von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung erlassen und ergänzt. Im BtMG selbst werden keine Substanzen genannt, sondern auf die Anlagen Bezug genommen, in der die Stoffe in Kategorien aufgeteilt sind. Eine Rechtsverordnung hat den Vorteil, dass sie schneller und einfacher erlassen werden kann als ein Parlamentsgesetz. 

Die Streichung von Cannabis aus dem BtMG durch die Bundesregierung

Cannabis komplett aus dem BtMG zu streichen könnte also theoretisch bereits durch die Bundesregierung selber veranlasst werden. Allerdings unterläge Cannabis dann gar keiner Kontrolle mehr und könnte ohne Beschränkungen hergestellt und Verkauft werden. Es gäbe wohl sehr schnell Marijuhana-Zigaretten von Phlipp Morris und in Supermärkten könnte es 100-Gramm-Weise in der Familienpackung abgegeben werden. Da auch dann lediglich die Mehrwertsteuer fällig werden würde, wäre damit zu rechnen, dass Deutschland aufgrund sehr niedriger Preise zu einem Mekka für Cannabis-Konsumenten werden würde. 

Dass mit einer solchen Entscheidung der Bundesregierung nicht zu rechnen ist, dürfte sich selbst für optimistische Legalisierungsbefürworter aufdrängen. Daneben bestehen aber auch hinsichtlich der vom BVerfG aufgestellten "Wesentlichkeitstheorie" Bedenken. Danach hat der Gesetzgeber, also das Parlament, die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und darf diese nicht auf die Exekutive "abwälzen". Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die Exekutive nicht wesentliche Änderungen an einem Gesetz durch Verordnung vornehmen darf, auch wenn sie formell dazu berechtigt wäre. Da es sich bei Cannabis um den strafrechtlich relevantesten Stoff im BtMG handelt, wäre eine Streichung aus dem Anhang des BtMG eine wesentliche Änderung der Rechtslage, die vor dem BVerfG mit Hinsicht auf die Gewaltenteilung und den Vorbehalt des Gesetzes nur schwerlich Bestand haben dürfte.

Die Verschiebung von Cannabis in eine andere Kategorie

Zur Zeit wird Cannabis in der Anlage III des BtMG geführt. Damit gelten die strengsten Beschränkungen für diesen Stoff. Um Cannabis für medizinische Zwecke einfacher zugänglich zu machen, würde die Verschiebung in eine andere Kategorie (Anlage I oder II) bereits beitragen. Jedoch wären der Verschreibung damit immer noch hohe Hürden gesetzt, da Ärzte ungerne die mit viel Verwaltungsaufwand verbundenen sogenannten BtM-Rezepte ausstellen und lieber auf zum Teil stärkere aber einfacher zu verschreibende Medikamente zurückgreifen, z.B. Tramal.
Eine Legalisierung im Sinne eines recreational use, wäre damit aber nicht verbunden.

Änderung der Rechtslage durch den Bundestag

Es bleibt somit nur die Möglichkeit, dass die Rechtslage bezüglich Cannabis durch den Bundestag per Gesetz geändert wird. 

Um Cannabis zu legalisieren wäre eine Streichung aus dem BtMG erforderlich, da innerhalb des bestehenden BtMG eine Legalisierung nicht möglich ist. Zeitgleich müsste ein eigenes Cannabis-Gesetz geschaffen werden, das entsprechende Vorschriften zu Anbau, Verkauf, Besitz, Werbung, Jugendschutz, Straßenverkehr, Arbeitssicherheit etc macht.

Internationales Recht

Während verfassungsrechtlich bezüglich einer Cannabis-Legalisierung keine Bedenken aufkommen, steht das internationale Recht der Legalisierung diametral entgegen. Das Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel von 1961, im wesentlichen ergänzt durch das Zusatzprotokoll von 1971, verbietet den Umgang mit Drogen international. Fast alle Staaten der Welt sind diesem Abkommen beigetreten und haben sich verpflichtet den Umgang mit Drogen innenpolitisch zu verbieten und international zu ächten. Ausgenommen von diesem Abkommen sind die sogenannten Volksdrogen Alkohol, Zigaretten und Kaffee. Diese Drogen wurden damals nicht aufgrund ihrer geringen Gefährlichkeit oder anderen sachlich-medizinischen Gründen ausgenommen, sondern da ein Drogenverbot nicht durchsetzbar gewesen wäre, das die typischen Lieblingsdrogen des christlichen weißen Mannes umfasst. 

Nichtsdestotrotz ist die Bundesrepublik durch die Ratifizierung des Abkommens an dieses gebunden. Würde sich die Bundesrepublik nicht daran halten, würde sie sich zuallererst eine Rüge des Präsidents des internationalen Suchtstoffkontrollrates einfangen, wie das bereits die USA aufgrund der Legalisierung in Washington und Colorado tat. Ein Bruch internationalen Rechts wird zwar international weitestgehend folgenlos bleiben, da kein anderer Staat ein Interesse haben dürfte die BRD mit Sanktionen wegen Nichteinhaltung zu bestrafen, allerdings könnte das Bundesverfassungsgericht mit Verweis auf die völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes dem Gesetzgeber einen Strich durch die Rechnung machen, wenn er vor Single Convention on Narcotic Drugs zu starke Abweichungen machen würde.

Rechtsvergleichende Perspektiven

Wie oben festgestellt, ist das amerikanische Modell in Deutschland aufgrund der staatsorganisatorischen Unterschiede nicht anwendbar.

In den Niederlanden wurde Cannabis bereits in den 70er Jahren liberalisiert. Entgegen anderlautender landläufiger Annahmen ist Cannabis in den Niederlanden aber nicht legal. Das Gesetz, das Cannabis liberalisierte firmierte unter Gesetz zur Vereinfachung der Polizeiarbeit und legte gesetzlich fest unter welchen Bedingungen die Polizei den Umgang mit Cannabis nicht verfolgen soll. 

Nicht verfolgt wird der Kauf zum Eigenbedarf von maximal 5 Gramm. Genauso der Anbau von bis zu 5 Pflanzen zum Eigenbedarf. Ebenfalls nicht verfolgt wird, wer Cannabis verkauft und dafür vom Bürgermeister eine entsprechende Genehmigung erhalten hat. Desweiteren darf nicht zeitgleich Alkohol ausgeschenkt werden. Außerdem ist Werbung für Marijuhana verboten, genauso wie eine Abgabe an Minderjährige. In einem sogenannten Coffeeshop dürfen maximal 500 Gramm bevorratet sein. 

Sowohl der Coffeeshopbetreiber als auch der Zulieferer machen sich bei Anlieferung der Ware an der Hitnertür strafbar. Es gibt keine gesetzliche Anweisung gegenüber der Polizei den Hintertürhandel nicht zu verfolgen. Theoretisch könnte die Polizei einen Coffeeshopbetreiber also jederzeit verhaften, wenn sie nur ein paar Stunde den Laden observieren. Genauso verboten ist in den Niederlanden der Anbau von Cannabis in größeren Mengen. Der Verfolgungsdruck in diesem Bereich durch die niederländische Polizei ist nicht gerade gering. Aus diesem Grund werden mittlerweile immer größere Mengen des in holländischen Coffeeshops verkauften Marihuanas in Deutschland, insbesondere dem Land der leerstehenden Fabrik- und Lagerhallen Mecklenburg-Vorpommern, produziert.

Cannabis Social Clubs

Aufgrund der rechtlichen Probleme, die das holländische Modell mit sich bringt, wird immer wieder eine gesetzliche Tolerierung von Cannabis Social Clubs gefordert. Dabei sollen eingetragene Vereine unter bestimmten Voraussetzungen straffrei Marijuhana anbauen und an ihre Mitglieder abgeben dürfen. Zusätzlich soll der Besitz einer geringen Menge zum Eigenbedarf außerhalb der Vereinsräume straffrei sein.

Cannabis Social Clubs ließen sich etablieren, ohne im krassen Widerspruch zur Single Convention on Narcotic Drugs zu stehen, wenn unter den oben genannten engen Voraussetzungen von der Strafverfolgung abgesehen wird, aber ein grundsätzliches Verbot bestehen bliebe. Voraussetzung wäre dafür allerdings ein Gesetz des Bundestages mit Zustimmung des Bundesrates von Nöten.

Conclusio

Versuche auf Landes- oder sogar Kommunalebene eine Legalisierung von Cannabis zu bewirken, scheitern schon aufgrund mangelnder Zuständigkeit - egal ob es sich um eine Petition an den Bürgermeister oder eine Volksabstimmung auf Landesebene handelt.

Eine komplette Freigabe von Cannabis begegnet mit Hinblick auf das internationale Recht einigen Bedenken. Eine Liberalisierung scheint hingegen möglich, könnte aber nur auf Bundesebene beschlossen werden.

Die juristischen Konstruktionen anderer Länder sind auf Deutschland in weiten Teilen nicht übertragbar, es müssen für eine Liberalisierung in der BRD neue eigene Modelle entwickelt werden, die auf das hiesige Rechtssystem angepasst sind.

3 Kommentare:

  1. Hier gibt es einen Interessanten Lösungsansatz: www.amazon.de/Eine-utopische-Theorie-deutsche-Drogenpflanzen-ebook/dp/B00H9GWAHEe

    AntwortenLöschen
  2. Schöner Artikel.

    Die Vorgänge in den USA und Uruguay zeigen aber sehr deutlich, dass die Single Convention keine wirklich bindende Wirkung hat. Wenn die Politik sich zur Legalisierung entscheidet, dann ist es möglich. Insbesondere jetzt wo der größte internationale Player USA seinen Bundesstaaten freistellt, Cannabisgesetze zu erlassen.

    Aber natürlich, in Deutschland ginge das nur auf Bundesebene. Versuche auf Landesebene die Legalisierung zu fordern, wie aktuell in Bayern, sind eher nicht erfolgversprechend.

    AntwortenLöschen
  3. ...und auf meiner Homepage gibt's ein paar interessante und wertvolle Informationen zur Rechtslage in der Schweiz. :)

    Grüsse, Sara

    AntwortenLöschen